Die meines Erachtens unerträglichste Bausünde des zurückliegenden Jahres vollzog sich am ehemaligen Barockhaus am Zurlaubener Ufer 92. Die Dockendorfer Projektgesellschaft EIFEL-HAUS hat nach langjähriger Vernachlässigung das im NTJ mehrfach als gefährdet gelistete barocke Gebäude vor knapp zwei Jahren bis auf die Vorderfassade vollständig abgerissen. Als wäre der Verlust nicht schon schmerzlich genug, wurde in das Bauwerk geradezu verhöhnender Weise ein „modernes“ Stockwerk dazwischengesetzt, das in dieser Kombination an Scheußlichkeit kaum zu überbieten ist. Weder die Fensterpositionen noch deren Größe, Form oder Stil respektieren die alte Fassade, sie wird vielmehr davon erdrückt. Das daraufgesetzte barockisierende Mansarddach macht dies nicht besser. Wussten ASB und Denkmalpflegebeirat wirklich, was sie hier genehmigten? Oder wurden deren Empfehlungen vom Bauherrn schlichtweg ignoriert? Welchen Wert hat die Unterschutzstellung eines Denkmals, wenn derart ignorant mit ihm umgegangen werden darf, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen? Prof. Oskar Spital-Frenking, Mitglied des Denkmalpflegebeirats, nahm mir gegenüber dazu folgendermaßen Stellung:
„Das Projekt war im Denkmalbeirat über einen längeren Zeitraum intensiv diskutiert worden. Letztlich hatte man einer modernen Lösung zustimmen können, bei der das neue, zusätzliche Geschoss in Form einer durchgehenden Glasfassade vorgeschlagen worden war. Diese Glasfassade war durch Rücksprünge an den Enden sowie einer sehr fein ausgebildeten Profilierung der Fensterrahmen sehr qualitätvoll gestaltet und passte somit zu dem historischen Erscheinungsbild der unteren Geschosse. Die jetzige Ausführung hat diese Qualitäten allerdings nicht mehr und hätte, wäre sie dem Denkmalbeirat noch einmal zur Beurteilung vorgestellt worden, auch keine Zustimmung bekommen. Vielleicht folgende wichtige Anmerkung: Wird ein historisches Gebäude aufgestockt, so sollten die neuen Geschosse nicht so tun, als wären auch sie vor vielen Jahren oder Jahrzehnten bereits gebaut worden. Eine Ablesbarkeit von Bauphasen ist für die historische Authentizität eines Gebäudes wie auch einer Stadt unbedingt wünschenswert. Wie diese Ablesbarkeit erreicht wird, dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine einfache, schlichte und damit moderne Fortführung der historischen Fassadensprache ist in gleicher Weise möglich wie eine freiere Ausdrucksweise. Entscheidend ist letztlich die Qualität der Ausführung. Und die ist bei dem oben besprochenen Beispiel nicht genügend erreicht worden.“
Dagegen halte ich diese „Ablesbarkeit von Bauphasen“ im Hinblick auf mehrere leider nicht zur Genehmigung eingereichte historisierende Alternativentwürfe des Architekturbüros Weidert von 1998 für nicht zwingend. Mit deren Ausführung, die allerdings auch die Zerstörung des hinter der Fassade befindlichen barocken Hauses vorsahen, hätten wir heute zumindest ein ansprechendes Erscheinungsbild am Zurlaubener Ufer. Vonseiten des DA wäre eine solche Lösung mit aufgesetztem Obergeschoss „in imitierender Formensprache“ genehmigungsfähig gewesen, sogar der Bauherr war dazu bereit. Das Landesdenkmalamt sah dies jedoch völlig anders, ebenso der ASB und die damalige Baudezernentin Kaes-Torchiani. Damit war die unglückselige Entwicklung, deren Ergebnis wir heute beklagen, angestoßen. Am „Tag der offenen Tür“ – einer von EIFEL-HAUS angebotenen Verkaufsveranstaltung – konnte ich mir am 15.09.18 vor Ort ein Bild machen, wie gewinnmaximierend und unschön der Platz, an dem einst dieses prachtvolle Haus stand, überbaut wurde. Während der letzten Jahreshauptversammlung der Trier-Gesellschaft e.V. am 25.04.18 im SMS kommentierte Dr. Gilbert Haufs-Brusberg den Verlust mit folgenden leidenschaftlichen Worten – überschrieben mit „Nachruf auf das Barockhaus am Zurlaubener Ufer 92“:
„Das stolze Haus hatte nicht umsonst in den „Kulturdenkmälern in Rheinland-Pfalz – Stadt Trier“ (S. 106 f.) eine ausführliche Erwähnung und Würdigung erfahren – sicherlich zum letzten Mal. Die Denkmalzone umfasst hier den Kern des früheren Dorfes Zurlauben. 1674 von den Franzosen vollständig abgerissen, wurde es im 18. Jahrhundert wiederaufgebaut und war selbständige Gemeinde mit eigener Kapelle und Schule. Die Bauten bilde(te)n zusammen eine Zeile zweigeschossiger traufständiger Häuser mit wechselnden Traufhöhen, fast alle mit Mansarddächern. Die Häuser mit den Nummern 82, 86 und 92 wirk(t)en mit ihren fünf bzw. sieben Achsen stattlich innerhalb des Ensembles. Die Wappen über einigen der Haustüren belegen das Selbstbewusstsein der kleinbürgerlichen Eigentümer. Im 18. Jahrhundert lebten hier vor allem Fischer. 1733 gab es bereits drei Gastwirtschaften. Ende des 18. Jahrhunderts siedelten sich Schiffer an. Bislang war die Häuserzeile am Zurlaubener Ufer ein anschauliches Beispiel einer kleinbürgerlichen Fischer-, Schiffer- und Handwerkersiedlung vor den Toren der Stadt. Sie spiegelte die kleinteilige und räumlich beengte Lebens- und Arbeitswelt und die Wandlung, der sie unterworfen war, durch die bis vor kurzem noch erhaltene Architektur nachvollziehbar und anschaulich wider. Die ohne zwingende Notwendigkeit genehmigte Zerstörung eines „unser Zurlauben“ gestaltenden Bauwerks durch ein ästhetisch abstoßendes Zwischengeschoss, dazu noch im Entréebereich der ältesten Stadt Deutschlands bei der Überquerung der Kaiser-Wilhelm-Brücke gut und leider aufdringlich sichtbar, lässt an der fachlichen Kompetenz der (damaligen [Anm. des Autors]) Bauverwaltung der Stadt erheblich zweifeln.“